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Rezension: Die Vögel Mitteleuropas - Das große Fotobestimmungsbuch

Das 2021 herausgekommene Fotobestimmungsbuch von Wolfgang Fiedler und Hans-Joachim Fünfstück versteht sich als "Ergänzung zu den existierenden mitteleuropäischen Vogelführern" (S. 10) und lenkt den Fokus ganz auf das korrekte Ansprechen aller bisher in Mitteleuropa nachgewiesenen bzw. denkbaren Arten (insgesamt 614). Dabei werden die behandelten Vögel allein durch Bilder dargestellt, auf Zeichnungen wird folglich gänzlich verzichtet. Die zahlreichen, hervorragenden Fotos decken die verschiedenen Kleider einer Art ab und werden in eine einheitliche Komposition gebracht, ähnlich den "Platten" in Bestimmungsbüchern, die auf Zeichnungen basieren. Gegenüber Letzteren hatten Fotovogelführer stets den Nachteil, nur wenige Gefiedervarianten abbilden zu können und das in häufig nicht repräsentativer Weise. Im vorliegenden Werk ist von diesen Schwierigkeiten allerdings aufgrund von moderner Kamera- und Bearbeitungstechnik kaum noch etwas zu spüren. 

 

Begleitinformationen: Der selbst gelegte Schwerpunkt zeigt sich deutlich in der Einleitung, die auf eine grundsätzliche Einführung zur Vogelbeobachtung und der Avifauna weitestgehend verzichtet. Stattdessen werden die einzelnen Elemente einer Artbeschreibung vorgestellt und erläutert. Für weiterführende Informationen wird auf andere Werke, z.T. von denselben Autoren, verwiesen.

 

Diese funktionale Reduzierung setzt sich in den Texten zu den einzelnen Spezies fort. Angaben zu Status, Kleidern, Stimme und ähnlichen Arten sind knapp, aber aussagekräftig; ohne die direkt an den Fotos vermerkten Kennzeichen werden sie allerdings nicht genügen. Verbreitungskarten, Icons zu Habitat, Größe, jahreszeitlichem Vorkommen (in Mitteleuropa) sowie die Vogelnamen in mehreren Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch) runden den Textteil zu jeder Art ab. Die verwendeten Zeichen und Symbole werden in der Einleitung und auf der Innenseite des Umschlags erklärt.

 

Auf den ersten Blick scheint diese Beschränkung auf das Allerwesentliche an Informationen zwar den direkten Einstieg mit diesem Buch schwierig zu machen, ist aber allein der Zielsetzung geschuldet, sich ganz auf die Bestimmung zu konzentrieren. Wer schon etwas Vorkenntnisse gesammelt hat, dürfte keinerlei Schwierigkeiten haben, damit zurechtkommen und diesen zusätzlichen Raum im Gegenteil sogar zu schätzen wissen. Ähnliches gilt für die Ordnung des Buches, die sich an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der Vogelwelt orientiert. Die daraus resultierende Umstellung (im Vergleich zu älteren Werken) führt dazu, dass z.T. ähnliche Vogelgruppen wie beispielsweise Falken und Greifvögel, aber auch Segler und Schwalben weiter auseinanderrücken. Insbesondere Anfänger werden dafür wohl eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen, die letztlich ebenso bei Vogelführern, die auf alternativen Ordnungssystemen beruhen, unvermeidlich ist. Wurde einmal der Einstieg gemeistert, hat man hier ein Bestimmungsbuch, das auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand ist und auch die jüngsten "Splits" (Trennungen von Arten) berücksichtigt.

Beispielseite
Beispielseite

Bilder und Bestimmungsmodus: Wie bereits erwähnt stehen in diesem Buch die Fotos im Zentrum. Anstatt einzelne Bilder aneinanderzureihen, hat man sich entschieden, diese freizustellen und in eine einheitliche Komposition zu bringen. So können wesentlich mehr Gefiedervarianten und Kleider gezeigt werden, als wenn Foto an Foto gehängt worden wäre. Dabei überzeugt die Umsetzung nicht nur praktisch, sondern zudem visuell durch ein ausgesprochen harmonisches Design. Die Qualität der Bilder ist im Regelfall hervorragend und der Anspruch, die geläufigsten Kleider der jeweiligen Spezies abzubilden, wird ebenfalls allermeistens erfüllt. Nur bei besonders schwierigen Fällen gerät auch dieses Buch an seine Grenzen; vielleicht könnten solchen in zukünftigen Auflagen ein paar Seiten mehr gewidmet werden.

 

Auf die einzelnen relevanten Merkmale wird jeweils direkt am Bild hingewiesen; das ist effizient, übersichtlich und in der Regel sehr treffend. Der Verzicht auf Fachsprache ist verständlich, um Einsteiger nicht zu sehr zu verwirren. Das gelingt überwiegend gut, sodass sowohl Präzision bei der Darstellung als auch Einfachheit in der Beschreibung gewahrt werden können. Nur bei den ohnehin sehr schwierigen Großmöwen wäre es jedoch erforderlich gewesen, mehr auf die eingebürgte "Fachterminologie" zurückzugreifen, um die wirklich feinen Unterschiede angemessen fassen zu können.

 

Auf den Fotos lässt sich leicht nachvollziehen, worauf stichpunktartig hingewiesen wird.  Damit vermeidet man weiterhin mögliche Missverständnisse, die bei langen, vom Bild getrennten Beschreibungen einfach auftreten können. Nur ausnahmsweise fällt es etwas schwieriger, ein Merkmal auf den Fotos auszumachen (vgl. Länge des "weißen Keils" bei Grünschenkel und Teichwasserläufer). Positiv hervorzuheben sind die Übersichtsseiten zu ähnlichen Vogelgruppen, die maßstabsgetreu in ihrer Größe abgebildet werden und so einen direkten Vergleich zulassen.

Vogelstimmen: Bei einem Großteil der Arten ist zudem ein QR-Code abgedruckt, der mit einer Tonaufnahme der jeweiligen Art im MP3-Format verlinkt ist. Soweit der entsprechende Vogel in Mitteleuropa zur Brutzeit anzutreffen ist, wird für gewöhnlich der Gesang wiedergeben, bei Gastvögel sind es dagegen typische Rufe. Das Auffinden der Datei hat stets problemlos funktioniert und auch die Klangqualität lässt nichts zu wünschen übrig. Es ist klar, dass damit jahrelange Lernpraxis im Vogelstimmenerkennen nicht ersetzt  oder gar das ganze Klangspektrum einer Art abgedeckt werden könnte. Die Idee ist gut und definitiv eine Bereicherung für das Buch. Manchmal hätte man sich hier jedoch noch ein wenig mehr gewünscht. Bei einigen Spechten etwa wird allein das Trommeln wiedergegeben, die nicht weniger diagnostischen Rufreihen (Schwarz- und Kleinspecht) dabei aber ausgespart. Das könnte z.B. durch das Zusammenfügen mehrerer Aufnahmen verbessert werden, ohne damit den Rahmen von einer Minute Abspielzeit sprengen zu müssen.

 

Fazit: Das Buch "Die Vögel Mitteleuropas - Das große Fotobestimmungsbuch" möchte einen besonderen Beitrag für das Identifizieren der heimischen Avifauna leisten. Durch zahlreiche hervorragende Bilder, die alle möglichen Vogelarten Mitteleuropas und die meisten Gefiedervarianten abdecken, kann so eine ähnliche Dichte zu klassischen Vogelführern auf der Grundlage von Zeichnungen erreicht werden. Informationen werden dabei auf das absolut Notwendige komprimiert und zielgenau an den Abbildungen aufgezeigt. Dem entsprechen ein schlichtes Design und eine harmonische Komposition. Bei schwierigen Fällen stößt allerdings auch dieses Buch an seine Grenzen. Hier und insbesondere bei der Einbindung von Tonaufnahmen ist das Bestimmungswerk stellenweise noch ein wenig ausbaufähig. Somit handelt es sich um ein solides Nachschlagewerk mit einzelnen, kleineren Schwächen im Detail.